Benennung des Erstattungsanspruches im Rahmen der leistungsrechtlichen Entscheidung

Die leistungsrechtliche Entscheidung i.S.d. § 8 S. 1 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) in den bis einschließlich 2021 geltenden Fassungen gerät in jüngster Zeit immer häufiger in den Fokus der gerichtlichen Überprüfung. Bereits in der Juli Ausgabe hatten wir über die aktuelle Rechtsprechung zur Umgrenzungsfunktion der leistungsrechtlichen Entscheidung berichtet.

Ebenso große Bedeutung kommt aber auch dem Erstattungsanspruch zu, welcher nach § 8 S. 1 PrüfvV durch die Krankenkasse konkret zu benennen und mitzuteilen ist. Dort heißt es:

„§ 8 – Entscheidung der Krankenkasse nach MDK-Gutachten

Die Krankenkasse hat dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe darzulegen. Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 11 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Absatz 3 zu erfolgen. Die Regelung des Satzes 3 wirkt als Ausschlussfrist. § 7 Absatz 5 Satz 6 bleibt unberührt.“

Philipp Schachtschneider

Philipp Schachtschneider

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Schachtschneider berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Der durch die Krankenkasse behauptete Erstattungsanspruch muss also der Höhe nach benannt werden, schließlich sieht § 10 S. 1 PrüfvV eine Aufrechnungsbefugnis überhaupt nur dann vor, wenn der Erstattungsanspruch auch konkret mitgeteilt wurde. Dies ist offenbar in der Vergangenheit nicht immer in dem erforderlichen Umfang geschehen. Bei der in § 8 S. 3 PrüfvV benannten Frist handelt es sich nach S. 4 im Gegensatz zu § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 bzw. § 7 Abs. 5 PrüfvV (vgl. Bundessozialgericht, z.B. vom 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R) ausdrücklich um eine Ausschlussfrist, die unseres Erachtens auch in einem gerichtlichen Verfahren fortwirken und einen Einwendungsausschluss auslösen dürfte. Dies hat zur Folge, dass es bei einem formellen Verstoß gegen § 8 S. 1 PrüfvV auf die materielle Korrektheit der Abrechnung insoweit nicht mehr ankommt.

Wichtig: Die Fristen der PrüfvV sind durch die Übergangs- und Ergänzungsvereinbarung und deren Fortschreibungen jeweils angepasst worden.

Nun hat sich die Rechtsprechung der Thematik angenommen. Das Sozialgericht Duisburg hatte sich bereits mehrfach in den durch den Verfasser erstrittenen Entscheidungen vom 12.09.2022 (S 17 KR 2145/21 KH) und jüngst vom 29.09.2023 (S 9 KR 1970/21 KH) entsprechend positiv geäußert und die beklagte Krankenkasse nur aufgrund der fehlenden Bezifferung des Erstattungsanspruches antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

Dem folgend wurde dies aktuell auch von den Sozialgerichten Rostock (Urteil vom 04.05.2023, S 11 KR 151/22) und Ulm (Urteil vom 30.03.2023, S 13 KR 3202/21) entschieden.

Weitestgehend offen bleibt in diesem Zusammenhang, ob ein innerhalb der Frist des § 8 S. 4 PrüfvV beigebrachtes Sammelavis die Benennung des Erstattungsanspruchs ersetzen kann. Das Sozialgericht Duisburg sieht dies zumindest kritisch, insbesondere dann, wenn sich aus dem Avis keine konkrete Zuordnung der Verrechnung zu einem Fall herstellen lässt.

Zwischenzeitlich liegt u.a. das Verfahren S 17 KR 2145/21 KH dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zur Beurteilung vor. Vor dem Bundessozialgericht ist unter dem Az. B 1 KR 6/23 R ebenfalls ein Verfahren anhängig, in welchem der Umfang einer Leistungsentscheidung zu beleuchten sein wird, jedoch primär zur Umgrenzungsfunktion. Sollte sich der Senat im Rahmen eines obiter dictum ebenfalls zum Erstattungsanspruch äußern, werden wir darüber weiter berichten.

Fazit

Die erstinstanzlichen Entscheidungen sind zu begrüßen, schließlich begegnen sie dem Charakter der Ausschlussfrist mit der einzig korrekten Konsequenz. Die Rechtsprechung der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts wird aber abzuwarten sein.

Aufgrund der bislang sehr eindeutigen Rechtsprechung sollten Krankenhäuser zwingend auch Fälle aus 2021 auf die formelle Korrektheit der leistungsrechtlichen Entscheidung überprüfen – sowohl im Hinblick auf die wesentlichen Gründe, als auch hinsichtlich des Erstattungsanspruches.

Auch für aktuelle Fälle im Anwendungsbereich der ab dem 01.01.2022 geltenden PrüfvV ist der Erstattungsanspruch im Rahmen der wörtlich so benannten Ausschlussfrist zu beziffern. Die Thematik dürfte also ebenfalls Relevanz für aktuelle Fälle aufweisen.