Automatische Sanktion bei Nichterfüllung von Anforderungen aus Qualitätssicherungsrichtlinien?

„Entfällt der Vergütungsanspruch des Krankenhauses vollständig, wenn bei der Behandlung Mindestanforderungen nach einer Richtlinie des GBA gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht erfüllt sind, die entsprechende Richtlinie aber keine Regelung eines Vergütungsausschlusses enthält hier: Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen – MHI-RL?“

Jutta Pasura

Jutta Pasura

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht

Rechtsanwältin Pasura berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Seit dem 14.02.2024 zu der Richtlinie zu minimalinvasiver Herzklappeninterventionen (MHI-Richtlinie) beim Bundessozialgericht unter dem Az. B 1 KR 30/23 R, die folgende Rechtsfrage anhängig: „Entfällt der Vergütungsanspruch des Krankenhauses vollständig, wenn bei der Behandlung Mindestanforderungen nach einer Richtlinie des G-BA gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht erfüllt sind, die entsprechende Richtlinie aber keine Regelung eines Vergütungsausschlusses enthält; hier: Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen – MHI-RL “ Vorausgegangen war die Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 12.10.2023, L 6 KR 75/21, über die hier berichtet werden soll.

Die Beteiligten stritten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung, für die das klagende Krankenhaus den OPS-Kode 5-35a.41 kodierte. Nachdem die beklagte Krankenkasse den Rechnungsbetrag zunächst gezahlt hatte, verrechnete sie diesen zu einem späteren Zeitpunkt vollständig, da die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 10 der MHI-Richtlinie nach den Feststellungen des MD zum Behandlungszeitpunkt nicht vorgelegen hätten. Danach sei in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie eine herzchirurgische Versorgung durch permanente Präsenz eines Operationsdienstes sicherzustellen, wobei der Operationsdienst über herzchirurgische Erfahrung verfügen müsse. Die Nichteinhaltung der Vorgaben einer Qualitätssicherungsrichtlinie habe nach Einschätzung der beklagten Krankenkasse einen vollständigen Vergütungsverlust nach dem Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 15/13 R, zur Folge.

Das LSG Sachsen-Anhalt hat die beklagte Krankenkasse vollumfänglich zur Zahlung des verrechneten Rechnungsbetrages verurteilt. Es stehe zwar nicht zweifelsfrei fest, ob das klagende Krankenhaus im Zeitraum der Behandlung alle strukturellen Voraussetzungen der MHI-Richtlinie erfülle, das lasse den Vergütungsanspruch jedoch nicht entfallen.

Zwar könne ein Verstoß gegen wirksame Qualitätssicherungsrichtlinien des G-BA auch zu einem Wegfall des Vergütungsanspruchs führen, ein einschränkungsloser Automatismus zwischen der Nichterfüllung von Anforderungen aus Qualitätssicherungsrichtlinien und einem Vergütungsausschluss sei gemäß § 137 Abs. 1 SGB V in der Fassung ab dem 01.01.2016 aber nicht vorgesehen. Es liege vielmehr in der Kompetenz des GBA zu bestimmen, ob und welche Anforderungen als Mindestvoraussetzungen mit der Folge eines Vergütungsausschlusses gelten sollen. Der G-BA müsse daher explizit einen vollständigen Vergütungswegfall als Sanktion bei Nichterfüllung regeln. Dabei sei der Wegfall des Vergütungsanspruchs als Ultima Ratio dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterworfen.

Die MHI-Richtlinie sehe jedoch genauso wie andere Richtlinien, die Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Baucharortenaneurysma (QBAA-Richtlinie), die Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) oder Richtlinie zur Kinderherzchirurgie (KiHe-RL) keinen Wegfall des Vergütungsanspruchs vor.

Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in der aktuellen Richtlinie dürfe auch nicht an die bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage angeknüpft werden, doch wieder einen Vergütungsausschluss vorzunehmen. Schließlich habe der Gesetzgeber die zu § 137 Abs. 1 SGB V a. F. ergangene Rechtsprechung des BSG gerade zum Anlass genommen, eine Neufassung des § 137 SGB V vorzunehmen.

Als Erläuterung: Vor dem Inkrafttreten des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) zum 01.01.2016 hatte das Bundessozialgericht den Wegfall des vollständigen Vergütungsanspruchs im Falle eines Verstoßes gegen Vorgaben aus der QBAA-Richtlinie bestätigt, da diese Leistungen weder erforderlich und wirtschaftlich noch qualitätsgerecht gewesen seien, vgl. BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 15/13 R, und 19.04.2016, B 1 KR 28/15.

Fazit

Durch die Neuregelung des § 137 SGB V zum 01.01.2016 im Krankenhausstrukturgesetz hat der GBA die Möglichkeit, zur Förderung und Durchsetzung der Qualität ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen festzulegen. Das kann im schlimmsten Fall auch einen Vergütungsabschlag zur Folge haben, der jedoch nach Auffassung des LSG Sachsen-Anhalt klar in einer Richtlinie vorgesehen sein und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen muss. Das BSG wird sich nun mit der Regelung des § 137 SGB V n. F. auseinanderzusetzen haben. Gleichlautend zum LSG Sachsen-Anhalt haben sich auch bereits das SG Duisburg mit Urteil vom 15.09.2021, S 60 KR 2057/20, und das SG Detmold mit Urteil vom 08.12.2023, S 3 KR 2980/20, positioniert. Die letztgültige Klärung dieser Rechtsfrage bleibt mithin auch hier dem BSG vorbehalten.