Kodierung einer ND bei Weitergabe einer bisherigen Medikation
Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14.05.2020, L 6 KR 115/15
Obwohl man meinen sollte, dass in den Deutschen Kodierrichtlinien die Voraussetzungen für die Kodierung einer Nebendiagnose eindeutig geregelt sind, werden von den Kostenträgern immer wieder Argumente gefunden, einzelne Nebendiagnosen nicht anzuerkennen. So hatte sich das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit der Rechtsfrage zu befassen, ob die Fortführung einer bereits im ambulanten Bereich verordneten Medikation eine Beeinflussung des Patientenmanagements im Sinne der Nebendiagnosen-Definition in den Deutschen Kodierrichtlinien darstellt.
Frank Wölfer
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Wölfer berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Bei der im Klinikum der klagenden Krankenhausträgerin behandelten Patientin war bereits bei der Aufnahme eine chronische Nierenkrankheit im Stadium III (N18.3) bekannt, welche auch im ambulanten Bereich mit dem Arzneimittel Furesis 40 behandelt wurde. Nach einer Kontrolle der Retentionswerte wurde diese Medikation im Klinikum der Krankenhausträgerin fortgeführt. Die Kostenträgerin war der Auffassung, dass eine lediglich fortgesetzte Therapie keinen Einfluss auf das Patientenmanagement habe. Bereits das erstinstanzlich zuständige Sozialgericht Dessau-Roßlau (Urteil vom 08.11.2017 zum Az. S 21 KR 163/15) verurteilte die Kostenträgerin antragsgemäß und begründete dies damit, dass die Gabe des bereits ambulant gegebenen Medikaments Furesis 40 einen therapeutischen Aufwand verursacht habe. Insoweit sei unschädlich, dass die Aufnahmemedikation fortgeführt worden sei, weil dies bereits aus dem in D003i der Deutschen Kodierrichtlinien in der Version 2011 aufgeführten Beispiel 2 folge. Dort heißt es:
„Eine Patientin wird zur Behandlung einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) stationär aufgenommen. In der Anamnese gibt sie eine Knieoperation vor 10 Jahren wegen eines Außenmeniskusschadens an. Danach war sie beschwerdefrei. Eine bekannte koronare Herzkrankheit wird medikamentös weiterbehandelt. …
Nebendiagnose(n): Depressive Reaktion Lumbalgien
Koronare Herzkrankheit
Nach der Auffassung des Landessozialgerichts sei der Hintergrund hierfür, dass die Krankenhausärzte bei einer stationären Behandlung auch über eine Weitergabe (nebst Dosierung) der bisherigen Medikamente eine Entscheidung fällen müssen und ein Ressourcenverbrauch des Krankenhauses darin zu sehen sei, dass solche Mittel den Beständen des Krankenhauses entnommen werden.
Darüber hinaus hatte sich das LSG Sachsen-Anhalt auch kurz mit der Kodiervorschrift „abnorme Befunde“ unter D003i der Deutschen Kodierrichtlinien zu befassen. Dort heißt es, dass abnorme Befunde nicht kodiert werden, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte). Hintergrund der Entscheidung des Landessozialgerichtes war, dass bei der Patientin ein Staging hinsichtlich eines bekannten Nierenzellkarzinoms durchgeführt wurde, welches den Verdacht auf eine Tumorprogression erbrachte. Daher wurde eine weitere Abklärung mittels Sonografie vorgenommen. Die beklagte Kostenträgerin vertrat die Auffassung, dass lediglich die bekannten Metastasen durch die Diagnostik bestätigt wurden und daher nur ein nicht kodierfähiger, abnormer Befund vorliege. Durch die ausdrücklich empfohlene weitere Abklärung, welche durch die Sonografie auch erfolgte, sei nach dem Landessozialgericht demgegenüber aber eine weiterführende Diagnostik im Sinne D003i der Deutschen Kodierrichtlinien betrieben worden.
Fazit
Erfolgt nach der Entscheidung der Krankenhausärzte eine unveränderte Weitergabe der bereits ambulant verordneten Medikation, stellt dies eine Beeinflussung des Patientenmanagements durch therapeutische Maßnahmen dar, wobei die Entscheidung der Krankenhausärzte über die Weitergabe der bisherigen Medikation möglichst deutlich in der Patientendokumentation zum Ausdruck kommen sollte. In dem zugrundeliegenden Behandlungsfall wurde die Entscheidung nach der Bestimmung der Retentionsparameter getroffen.
Folgt nach einer durchgeführten Diagnostik eine weitere Abklärung, stellt dies nach Auffassung des Landessozialgerichts eine weiterführende Diagnostik dar und ist nicht alleine eine Kontrolle der abnormen Befunde.