Kostenschuldner – die Zweite
Kostenträger bei stationärer Tuberkulose-Behandlung nach dem Infektionsschutzgesetz
Bereits im März 2018 (KU Gesundheitsmanagement 3/2018) haben wir über ein Urteil des Sozialgerichts Detmold berichtet, welches sich mit der Auswahl des korrekten Kostenschuldners bei vollstationärer Behandlung einer Tuberkulose (TBC) beschäftigt hatte (Sozialgericht Detmold, Urteil vom 08.12.2017 – S 24 KR 296/16). Das für das klagende Krankenhaus positive Urteil lag nach eingelegter Berufung dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zur Überprüfung vor. Die berufungsklagende Krankenkasse hat die Berufung im Termin zur mündlichen Verhandlung nach unzweideutigem Hinweis des Senats zurückgenommen, sodass das Urteil des Sozialgerichts Detmold nunmehr in Rechtskraft erwachsen ist.
Philipp Schachtschneider
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Schachtschneider berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Sachverhalt und Entscheidung des SG Detmold
Dem Verfahren lag folgender medizinischer Sachverhalt zu Grunde: Die drogen- sowie alkoholabhängige, unter gesetzlicher Betreuung stehende, krankheitsuneinsichtige und an offener TBC erkrankte Patientin wurde stationär vorbehandelt, verließ das Krankenhaus allerdings eigenmächtig und brach die antituberkulotische Behandlung damit ab. Es folgte eine Zwangseinweisung nebst Absonderung nach § 30 IfSG sowie stationäre Behandlung im Krankenhaus der Klägerin.
Die beklagte Krankenkasse war der Ansicht, dass die stationäre Behandlung ab einem gewissen Zeitpunkt ausschließlich der Quarantäne diente, jedenfalls keine medizinisch notwendige Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V erforderlich und damit nicht die Krankenkasse Kostenschuldner sei. Unter Verweis auf die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung (B 1 KR 20/15 R) urteilte das SG Detmold aus, dass es für das medizinische Erfordernis im Einzelfall darauf ankomme, dass eine medizinisch notwendige Versorgung aus Gründen der Rechtsordnung nur stationär erbracht werden dürfe und verurteilte die Krankenkasse unter Verweis auf § 30 I IfSG i. V. m. § 69 I Nr. 10 IfSG zur Zahlung.
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG NRW
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz erteilte der befasste Senat des Landessozialgerichts deutliche Hinweise zur Zuordnung des Kostenschuldners bei stationärer TBC-Behandlung und wies darauf hin, dass das Urteil des SG Detmold als korrekt erachtet werde.
Die Abgrenzung, ob Kosten nach § 39 SGB V oder nach den §§ 30, 69 IfSG anfallen, also ob die Krankenkasse oder (in Nordrhein-Westfalen) die Stadt Kostenträger ist, sei primär davon abhängig, ob eine stationäre Behandlung schon aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen wäre. In diesem Fall würden die Kosten als Heilbehandlungskosten zu Lasten der Krankenkasse anfallen. Sei in medizinischer Hinsicht eine stationäre Behandlung nicht notwendig, handele es sich um Absonderungskosten. Dabei verwies der Senat auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1977 (1 C 36.70) sowie des Verwaltungsgericht Berlin aus 2018 (14 K 65.15)
Absonderungskosten zu Lasten der Stadt bzw. der Behörde seien nach § 69 Abs. 1 Nr. 10 IfSG dann erstattungsfähig, wenn die stationäre Unterbringung eines an TBC erkrankten Patienten nicht (mehr) aus individuellen medizinischen Gründen, sondern (nur noch) aus seuchenpolizeilichen Gründen erfolge.
Medizinisch inhaltlich bestätigte das Sachverständigengutachten aus der ersten Instanz, dass aufgrund der Alkoholkrankheit, der Drogensucht und der psychischen Erkrankung der Patientin die medizinische stationäre Behandlungsnotwendigkeit bestand (Gefahr des erneuten Behandlungsabbruchs mit möglichen Folgeschäden für die Patientin durch Antibiotikaresistenz) und damit gerade kein Fall der reinen Absonderung zur Gefahrenabwehr vorlag. Im Fokus stand damit die Behandlung der Versicherten und damit eine individuelle medizinische Komponente, da aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht u.a. eine multiresistente TBC nicht mehr auszuschließen war.
Fazit
Das LSG konkretisiert – wenn auch nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung –, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen eine Abrechnung ggü. der Krankenkasse erfolgen kann. Weiterhin wird man also auf den konkreten medizinischen Einzelfall abstellen müssen, da mit der Einweisung (Absonderung nach § 30 IfSG) noch nicht entschieden ist, wer Kostenträger der Maßnahme ist. Erst wenn die stationäre Unterbringung eines an TBC erkrankten Patienten nicht (mehr) aus individuellen medizinischen Gründen, sondern (nur noch) aus seuchenpolizeilichen Gründen erfolgt, also keine individuelle medizinische Behandlung im Vordergrund steht, sind die Kosten aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten. In den Übrigen Fällen bleibt die Krankenkasse Kostenschuldner.