Aktuelle Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 23.05.2019, Az. L 11 KR 4179/18) zur Schmerztherapie und zu § 7 Abs. 2 PrüfvV

Gegenstand häufiger Streitigkeiten zwischen den Kostenträgern ist die Abrechenbarkeit einer stationären Schmerztherapie. Das LSG Baden-Württemberg hat nunmehr die Position der Krankenhäuser gestärkt und in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass es gerade nicht einer Notfallsituation bedarf, um eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit begründen zu können.

Gegenstand des Rechtsstreits war eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 14.12.-21.12.2016. Das beklagte Krankenhaus behandelte die Versicherte wegen einer chronischen Lumbago bei degenerativer Bandscheibenerkrankung. Bei Aufnahme klagte die Versicherte über unter anderem ständige lumbale Schmerzen mit einer Schmerzintensität von 6/10 auf der NRS sowie bei längerem Sitzen einem Taubheitsgefühl im Bereich des Steißbeins. Im erstinstanzlichen Verfahren wies das Sozialgericht Karlsruhe die Rückzahlungsklage der Krankenkasse unter Berücksichtigung des eingeholten Sachverständigengutachtens zurück.

Ulrike Hildebrand

Ulrike Hildebrand

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

Rechtsanwältin Hildebrand berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren, außerdem berät sie Leistungserbringer zur Kostensicherung.

Gegen diese Entscheidung legte die Krankenkasse Berufung ein. Ihrer Auffassung nach seien die durchgeführten schmerztherapeutischen Techniken, wie z. B. die Facettengelenksinfiltrationen auch ambulant durchführbar gewesen. Zudem berief sich die Krankenkasse darauf, dass Behandlungsunterlagen, welche nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 7 Abs. 2 S. 3-4 der PrüfvV an den MDK übermittelt worden seien, nicht zu verwerten seien.

Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Eine stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit sei zu bejahen. Lumbale Schmerzen bei der Versicherten seien bereits seit 2006 bekannt. Die bereits über Monate seit der Verschlimmerung der Beschwerden im Oktober 2015 durchgeführten intensivierten ambulanten Behandlungen einschließlich Infiltrationen hätten keinen Erfolg gebracht. Unmittelbar vor dem streitigen Krankenhausaufenthalt habe die Versicherte drei Serien Krankengymnastik und 50 Einheiten Reha-Sport mit begleitender nichtsteroidaler Schmerzmedikation unter fachärztlicher Behandlung absolviert, ohne dass sich eine Besserung eingestellt habe. Der Gutachter habe nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass insbesondere die drohende Verschlimmerung und Chronifizierung bei beginnenden radikulären Ausfällen eine stationäre Behandlung rechtfertigt habe und die Fortführung der ambulanten Behandlung gerade nicht erfolgsversprechend schien. Hinzu komme, dass die medikamentöse Behandlung bei der Versicherten wegen einer bekannten Medikamentenunverträglichkeit schwierig war, wie sich auch im Verlauf der Krankenhausbehandlung bestätigt habe. Ein Medikament musste aufgrund von Nebenwirkungen in der Dosis reduziert werden, ein anderes wurde vollständig abgesetzt.

Schlussendlich hatte das LSG auch keine Bedenken daran, die komplette Patientenakte zu verwerten. Das von der Klägerin angenommene Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 PrüfvV, komme unabhängig vom Verständnis der Regelung schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Verletzung der in dieser Vorschrift geregelten Mitwirkungspflichten des Krankenhauses nicht ersichtlich sei. Aus der vorgelegten Verwaltungsakte könne nicht entnommen werden, dass der MDK konkret weitere Unterlagen über die Behandlung der Versicherten angefordert hätte, deren Vorlage das Krankenhaus verweigert hätte und die nunmehr ursächlich geworden wären für die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen.

Fazit

Das LSG Baden-Württemberg betont erfreulicherweise, dass eine schmerztherapeutische Behandlung im Krankenhaus auch dann erforderlich sein kann, wenn immobilisierenden Schmerzen oder Lähmungserscheinungen bei dem Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht vorliegen.

Unabdingbare Voraussetzung für Parallelfälle dürften allerdings weiterhin dokumentierte, frustran verlaufende ambulante Behandlungsversuche sein, da nur in diesem Fall das multimodale vollstationäre Therapiekonzept erforderlich werden kann. Daneben dürfte eine beginnende Chronifizierung ein maßgebender Aspekt sein.

Angesichts dieser Rechtsprechung des LSG wird man zudem davon ausgehen können, dass ungeachtet der Frage, ob § 7 Abs. 2 S. 3-4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung überhaupt darstellen kann, Bestandteile der Patientenakte, welche der MDK in der ursprünglichen Unterlagenabforderung nicht explizit angefragt hat, einer weiteren Verwertung im Klageverfahren zugänglich bleiben.