Keine pauschale Kürzung von Laborleistungen in der Notfallambulanz
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19.12.2018, L 4 KA 20/15
Das Hessische LSG hat in seinem Urteil vom 19.12.2018, L 4 KA 20/15, die Rechtsprechung des SG Marburg vom 18.03.2015, S 12 KA 616/14, zur Vergütung von Laborleistungen in der Notfallambulanz bestätigt. Gegenstand beider Verfahren waren die pauschale Kürzung von Laborleistungen im Rahmen der Notfall-Erstbehandlung sowie die Möglichkeit des Nachreichens von Behandlungsunterlagen im gerichtlichen Verfahren.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung korrigierte in den Honorarbescheiden alle Laborleistungen der Notfallambulanz des klagenden Krankenhauses mit der pauschalen Begründung, im Rahmen einer Notfallbehandlung seien die Leistungen nach Kap. 32 EBM-Ä nicht berechnungsfähig. Im Widerspruchsverfahren erläuterte das Krankenhaus anhand von vier repräsentativen Beispielsfällen, welche Laborparameter bei welchen Krankheitsbildern in einer Notfallambulanz grundsätzlich notwendig werden können. Der Widerspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen, da das Krankenhaus von der Möglichkeit, einzelfallbezogen die Notwendigkeit der Laborleistungen für die Notfall-Erstversorgung darzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe. Erstinstanzlich hob das SG Marburg mit Urteil vom 18.03.2015 die angegriffenen Honorarbescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf, soweit Laborleistungen nach Kap. 32 des EBM-Ä abgesetzt wurden und wies die Angelegenheit zur erneuten Bescheidung zurück.
Das Hessische LSG hat die von der KV eingelegte Berufung zurückgewiesen. Es führt aus, dass die Frage, ob sich Laborleistungen nach Kap. 32 EBM-Ä im Rahmen der Notfall-Erstversorgung halten, der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung unterliege. Aufgrund der Regelungen des EBM-Ä seien die Leistungen des Kap. 32 nicht grundsätzlich von einer Abrechnung neben den Notfallgrundpauschalen ausgeschlossen, sondern nur, wenn sich das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrags des Notfalldienstes bewege. Sowohl daraus als auch aus der Systematik der auf § 106a SGB V a. F. aufbauenden Varianten der sachlich-rechnerischen Berichtigung folge, dass diese eine Einzelfallprüfung erfordere. Zuerst habe das Krankenhaus in seiner Honorarforderung die im jeweiligen Quartal erbrachten ärztlichen Leistungen einzeln und konkret nach den GOPen aufgeschlüsselt zu bezeichnen. Eine Pflicht, die Abrechnung im Einzelfall zu begründen, bestehe auch nach der Rechtsprechung des BSG vom 01.07.1998, B 6 KA 48/97 R, nicht. Wäre eine solche dennoch ausnahmsweise erforderlich, würde sich dies aus den Leistungslegenden der jeweiligen GOPen ergeben. Für die Laborleistungen nach Kap. 32 EBM-Ä existieren keine besonderen Begründungsvorschriften, auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung durch das Urteil des BSG vom 12.12.2012, B 6 KA 5/12 R. Das BSG habe darauf hingewiesen, dass die nähere Begründung „möglicherweise“ nachgeholt werden könne, woraus nach Ansicht des Hessischen LSG folge, dass diese Leistungen nicht regelwerksartig abgesetzt werden dürften. Vielmehr habe die KV aufgrund der eingereichten Honorarforderung einzelfallbezogen konkrete Zweifel an der Tatbestandserfüllung einer GOP zu formulieren. Sodann obliege es dem Krankenhaus, durch sachdienliche Angaben an der Beseitigung dieser Zweifel mitzuwirken. Dabei sei es bis zu einem gewissen Umfang möglich, fallgruppenbezogen vorzutragen. Hinsichtlich der von der KV aufgeworfenen Frage der Präklusion führt das Hessische LSG aus, dass eine solche oder eine andere Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle im Verfahren der quartalsgleichen sachlich-rechnerischen Berichtigung nicht existiere und auch nicht aus dem o.g. Urteil des BSG hergeleitet werden könne.
Das Hessische LSG hat in seinem Urteil klargestellt, dass sich im Verfahren der quartalsgleichen sachlich-rechnerischen Berichtigung eine Stufung von Mitwirkungspflichten der Krankenhäuser auf der einen und die Amtsermittlungspflicht der KV auf der anderen Seite gegenüberstehen. Da es keine allgemeine Begründungspflicht bei der Abgabe der abrechnungsrelevanten Angaben gebe, setze die Darlegungslast des Krankenhauses erst ein, wenn die KV im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht einzelfallbezogene Zweifel formuliert habe.
Die KV hat gegen das Urteil des Hessischen LSG Revision beim BSG, B 6 KA 6/19 R, eingelegt. Eine abschließende Klärung der streitgegenständlichen Rechtsfrage wird daher durch das Bundessozialgericht erfolgen.