Aktuelles Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28.03.2023 – S 8 KR 332/20

Leistungsrechtliche Entscheidung gemäß § 8 PrüfVV

Die Beteiligten stritten um die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung sowie insbesondere über die Frage, ob die Indikation zur Implantation eines Ereignisrekorders, OPS-Kode 5-377.8, bestand. Rechtsgrundlage für den streitigen Behandlungsfall war die Prüfverfahrensvereinbarung in der Fassung vom 01.09.2014. Das Gericht verurteilte die Kasse antragsgemäß. Sie sei nicht berechtigt, eine Aufrechnung ohne Mitteilung einer Begründung im Sinne von § 8 PrüfvV vorzunehmen.

Nach § 8 PrüfvV (2014) hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen und, wenn die Leistungen nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder die Berechnung nicht korrekt waren, die wesentlichen Gründe darzulegen.

Jutta Pasura

Jutta Pasura

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht

Rechtsanwältin Pasura berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Dieser Pflicht genüge – so das Gericht – die Krankenkasse grundsätzlich dann, wenn sie das MDK/MD-Gutachten übersende und erkläre, sich diesem vollumfänglich anzuschließen bzw. auf die dortigen wesentlichen Gründe verweise. Aus dem vorgerichtlich eingeholten Gutachten ergab sich jedoch lediglich, dass der OPS-Kode 5-377.8 aus „sozialmedizinischen Gründen“ nicht empfohlen werde. In der leistungsrechtlichen Entscheidung der beklagten Krankenkasse hatte diese dann nur ausgeführt, dass der beratende Arzt den OPS-Kode 5-377.8 nicht bestätigen könne. Wesentliche Gründe seien daher weder dem Schreiben der Beklagten noch dem Gutachten des MDK zu entnehmen.

Darüber hinaus habe die Mitteilung – Darlegung der wesentlichen Gründe – innerhalb einer Frist von neun Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige zu erfolgen, vgl. § 8 Satz 3 PrüfVV. Das erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegte MD-Gutachten sei daher verspätet. Die Regelung des Satzes 3 wirke darüber hinaus als Ausschlussfrist, § 8 Satz 4 PrüfVV (2014). Sinn und Zweck der Regelung sei nach der Gesetzesbegründung, dass die Beteiligten durch die PrüfVV möglichst früh Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche erhalten und Streitigkeiten möglichst einer frühzeitigen und endgültigen Klärung zugeführt werden können. Diese Beschleunigungsmaxime werde konterkariert, wenn es der Krankenkasse zur Wahl stünde, ob sie eine Begründung liefere oder nicht.

Hintergrund der Vorschrift sei auch, dass das Krankenhaus prüfen könne, ob die Einleitung eines Rechtsbehelfs erfolgsversprechend sei und nicht damit rechnen müsse, dass im Klageverfahren die Begründung für die Kürzung ausgetauscht werde. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die beklagte Krankenkasse mit Einwänden gemäß § 8 Satz 3 und 4 PrüfVV ausgeschlossen sei.

Das Gericht hat daher konsequenter Weise nicht darüber entschieden, ob die Implantation eines Ereignisrekorders notwendig gewesen ist oder nicht. Es hat vielmehr betont, dass nur in engen Grenzen eine Berichtigung der Mitteilung bei kleineren Unrichtigkeiten und Daten, wie z. B. unbeabsichtigte Zahlendreher, möglich sei. Es bleibt abzuwarten, ob die Krankenkasse hiergegen Berufung einlegen wird.

Das Urteil reiht sich erfreulicher Weise in eine Vielzahl mittlerweile ergangener Entscheidungen ein. So hat beispielsweise das Sozialgericht Duisburg mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2022, S 27 KR 1734/19, die beklagte Krankenkasse zur Zahlung verurteilt. Zunächst stritten die Beteiligten um den Transplantationsbegriff im Rahmen des OPS 5-218.40. Während des gerichtlichen Verfahrens wurde dann der Vorwurf der primären Fehlbelegung (kosmetische Operation) erhoben. Der Austausch der Begründung sei jedoch unzulässig.

In einem Verfahren vor dem SG Dresden hatte die beklagte Krankenkasse zunächst vier Behandlungstage zu Beginn der Behandlung beanstandet, dann während des Klageverfahrens die letzten Tage der stationären Behandlung moniert. Auch das ließ das SG Dresden (Urteil vom 24.06.2020, S 38 KR 219/18) unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 8 PrüfVV nicht zu.

Fazit

Die Krankenkassen legen offensichtlich häufig wenig Augenmerk auf den Inhalt ihrer leistungsrechtlichen Entscheidung.  Ein Nachschieben oder Austauschen wesentlicher Gründe nach Ablauf der 9 bzw. 11-monatigen Ausschlussfrist des § 8 PrüfVV dürfte nach der Vielzahl der gerichtlichen Entscheidungen unzulässig sein. Gleiches dürfte auch für ein Nachholen der Benennung des konkreten Erstattungsanspruchs gelten.