Abrechnung der Behandlungskosten von Unionsbürgern

Welchen Vorteil bietet die obligatorische Anschlussversicherung?

Mit dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der GKV vom 15.07.2013 hat der Gesetzgeber die „obligatorische Anschlussversicherung“ in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt, § 188 Abs. 4 SGB V. Diese ergänzt nunmehr die zum 01. April 2007 eingeführte Krankenversicherungspflicht für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die sogenannte Pflichtversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.

Silke Rumpel

Silke Rumpel

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht

Rechtsanwältin Rumpel berät und vertritt Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und andere Leistungserbringer in sozialrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere auch zur Kostensicherung gegenüber Kostenträgern.

EU-Bürger dürfen in jedem Land der Europäischen Union leben und arbeiten. Die „Freizügigkeit“ ist ein zentrales Recht der Europäischen Union. Sobald in Deutschland der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt begründet wird und der Unionsbürger nach den Vorgaben des koordinierenden Sozialrechts dem deutschen Recht unterliegt, hat er unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), was die uneingeschränkte Abrechnung des Krankenhausträgers mit der GKV ermöglicht. Differenziert wird nach der Personengruppenzugehörigkeit des einzelnen Unionsbürgers.

Arbeitnehmer unterliegen grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem sie die Beschäftigung ausüben. Unionsbürger, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausüben sind versicherungspflichtig in der GKV ab dem ersten Tag der Beschäftigung. Der Versicherungsschutz erstreckt sich in diesem Fall auch auf die Familienangehörigen, und zwar unabhängig davon, ob diese ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik haben. Unionsbürger, die in Deutschland einen Minijob ausüben, unterliegen ebenfalls der Pflichtversicherung in der GKV. Deren Aufenthaltsrecht ist nicht davon abhängig, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Auch mit einem Minijob, der nicht existenzsichernd ist, gelten diese Personen als freizügigkeitsberechtigte „Arbeitnehmer“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügkeitsgesetz/EU.

Auch der Personenkreis der Arbeitsuchenden mit Arbeitslosengeld II-Bezug ist bereits über den Leistungsbezug in der GKV pflichtversichert. Für arbeitsuchende Unionsbürger ohne Arbeitslosengeld II-Bezug ist das Aufenthaltsrecht, entsprechend den geringfügig Beschäftigten, nicht von der Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig. Auch für diese Personengruppe besteht Zugang zur GKV, zunächst befristet auf sechs Monate. Nach sechs Monaten ist der Unionsbürger gehalten, seine Bemühungen und Aussichten auf eine Beschäftigung nachzuweisen.

Ferner unterliegen Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten der Pflichtversicherung in der GKV.

Nicht erwerbstätige EU-Bürger und deren Familienangehörige sind die Personengruppe, bei der das Freizügigkeitsgesetz/EU die Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes voraussetzt. Für diese Personengruppe ist der Weg in die Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 11 SGB V versperrt. Hier bringt die obligatorische Anschlussversicherung einen großen Vorteil: Nach dem Ende einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder einer Familienversicherung eines Unionsbürgers bleibt die Krankenversicherung im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung automatisch als freiwillige Versicherung bestehen, wenn der Unionsbürger nicht seinen Austritt erklärt und eine andere Absicherung nachweist. Der Unionsbürger, der in Deutschland eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat und dessen Beschäftigung endet, bleibt trotz Ende der Versicherungspflicht Mitglied der Krankenkasse als freiwillig Versicherter, da er keine anderweitige Krankenversicherung mehr hat. Die obligatorische Anschlussversicherung ist unabhängig von Vorversicherungszeiten und bedarf keiner Antragstellung. Lediglich für Saisonarbeiter wurde die obligatorische Anschlussversicherung zum 01.01.2018 um eine Regelung ergänzt. Für Saisonarbeiter wird die obligatorische Anschlussversicherung nur dann durchgeführt, wenn diese innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der Versicherungspflicht gegenüber der bisher zuständigen Krankenkasse ihren Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklären und einen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik nachweisen.

Fazit: Bei fehlender Krankenversicherung des EU-Bürgers im Herkunftsland lohnt sich ein genaues Hinsehen. Möglicherweise besteht eine Absicherung in der GKV.