Der abrechnungsrechtliche Umgang mit taggleich entlassenen Strafgefangenen

Immer wieder stellen sich Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit für die Kostentragung der stationären Behandlungen von Patienten, die unmittelbar vor oder während der Krankenhausbehandlung aus dem Strafvollzug entlassen wurden. Dabei verweigern die gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig die Kostenübernahme, da nach ihrer Auffassung das jeweilige Bundesland als Rechtsträger der zuständigen Strafvollzugsbehörde (in der Regel eine Justizvollzugsanstalt) hierfür leistungspflichtig sei. Besonders brisant ist die Konstellation, in denen Patienten am Tag der Haftentlassung stationär zur Behandlung aufgenommen werden. Hierzu liegt nunmehr ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 23.03.2021 (6 A 116/20 MD) vor.

Sachverhalt

Eric Gröger

Eric Gröger

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Gröger berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Der Patient befand sich bis zum 18.8.2014, 08.15 Uhr, in Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) in Sachsen-Anhalt. Vor seinem Haftantritt war er bei der im Verfahren beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versichert. Ab dem 19.8.2014 wurde er als sogenannter „Nicht -Versicherter“ bei der Krankenkasse geführt.

Am Nachmittag des 18.8.2014 wurde aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums eine stationäre Notfallbehandlung notwendig. Die Behandlungskosten machte das Krankenhaus zunächst gegenüber der JVA geltend. Eine Kostenübernahme lehnte diese ab.

Sodann erhob das Krankenhaus Klage auf Zahlung der Behandlungskosten gegen das Land Sachsen-Anhalt als Rechtsträger der JVA, da gemäß des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) der Entlassungstag der letzte Tag der Strafhaft sei – sogenannte tagesweise Berechnung – und für diesen Tag die Gesundheitsfürsorge noch der JVA obliege. Der Anspruch ergebe sich auch aus dem Umstand, dass im Rahmen des DRG-Systems eine stundengenaue Abrechnung innerhalb eines Tages nicht erfolgt.

Zugleich wurde auf klägerischen Antrag hin die zuletzt zuständige gesetzliche Krankenkasse beigeladen, um zu klären, ob nicht eine Zuständigkeit derselben vorläge. Diese führte an, dass eine Zuständigkeit ihrerseits erst mit dem Folgetag der Entlassung vorliegen könne, §§ 16 Abs. 1 Nr. 4, 186 Abs. 11 S. 1 SGB V.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg

Das VG Magdeburg hat die Klage abgewiesen. Das Land Sachsen-Anhalt sei nicht der zuständige Kostenträger, da mit der Entlassung aus dem Strafvollzug auch die Gesundheitsfürsorge der jeweiligen Strafvollzugsanstalt ende, §§ 58 S. 1, S. 2 Nr. 1, 61 StVollzG. § 58 S. 1, S. 2 Nr. 1 des StVollzG normiere lediglich den Anspruch der Gefangenen auf Krankenbehandlung, insoweit noch die Gefangeneneigenschaft bestehe. Eine solche bestünde im strafvollzugsrechtlichen Sinne mit der Entlassung nicht mehr. Ab 08.15 Uhr unterläge der Patient keinen Beschränkungen seiner Freiheit mehr im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Vielmehr habe er eigenverantwortlich über seinen Aufenthalt bestimmen und damit auch über die Art und Weise seiner Gesundheitsvorsorge frei entscheiden können. Somit stünde dem Patienten rechtlich und faktisch ein Anspruch auf freie Arztwahl zu; unabhängig davon, ob er diesen auch tatsächlich in Anspruch nahm oder nehmen konnte.

Da somit das besondere Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem ehemaligen Strafgefangenen und dem Staat entfallen sei, bedurfte es auch keines besonderen staatlichen Schutzerfordernisses im Form der Gesundheitsfürsorge nach § 58 S. 1, S. 2 Nr. 1 StVollzG mehr. Hierfür sprächen auch haftungsrechtliche Erwägungen, weswegen eine tageweise Betrachtung nicht zu erfolgen hat. Insbesondere gelte es zu beachten, dass § 16 Abs. Nr. 4 SBG V das Ruhen der gesetzlichen Krankenversicherung nur solange vorsieht, wie die Haft (tatsächlich) vollzogen werde.

Fazit

Mit der Entlassung aus der Haft endet die Kostenträgerschaft der Strafvollzugsbehörden und zwar auch dann, wenn eine Behandlung taggleich nach der Entlassung notwendig wird.

Jedoch gilt es zu beachten, dass das Gericht auch entschied, dass die Krankenkassen in solchen Fällen gemäß § 65 Absatz 2 VwGO notwendig beizuladen sind, da mit Haftende der gesetzliche Krankenversicherungsschutz über §§ 5 Abs. 1 Nr. 13a, 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V wieder auflebt. Für Leistungserbringer empfiehlt es sich daher bereits vorprozessual an die zuletzt bekannte Krankenkasse heranzutreten, insofern diese bekannt ist.