Der Wille des Gesetzgebers … – Fallzusammenführungen ab 2019 –

In seiner letzten Entscheidung zum Thema „Fallzusammenführung“ hat das Bundessozialgericht (BSG) am 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) wie auch in den zuvor ergangenen Entscheidungen unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots gem. §§ 12, 70 SGB V weiterhin auf Basis des Rechtsregimes eines „fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens“ eine Beurlaubung des Patienten und damit eine Fallzusammenführung gefordert.

Thomas Wernitz

Thomas Wernitz

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Wernitz berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Es hat in dieser Entscheidung auch dargelegt, dass die gesetzgeberische Klarstellung in § 8 Abs.5 S.3 FPV rückwirkend keine Geltung entfalte, da – anders als andere durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz geänderte Normen, welche vom Gesetzgeber rückwirkend für anwendbar erklärt worden seien – eine rückwirkende Inkraftsetzung nicht erfolgt sei, sondern die Wirkungen der Norm erst ab dem 01.01.2019 einträten, mithin die Unzulässigkeit einer behaupteten Fallzusammenführung auf Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens außerhalb der Fallzusammenführungstatbestände in §§ 2,3 FPV (anderer Ansicht LSG Hamburg L 1 KR 114/19 v. 25.02.2021, jetzt B 1 KR 14/21 R).

Leider hat sich das BSG in der mündlichen Verhandlung nicht zu § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG für Fälle ab 01.01.2019 mit Blick auf die von den Kostenträgern weiterhin behauptete Beurlaubung positioniert.

Aus unserer Sicht bestehen aber berechtigte Aussichten, Fallzusammenführungen lediglich aufgrund der Behauptung, dass die getrennten Abrechnungen nicht im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot stehen würden, zumindest für Fälle ab 2019 gerichtlich dahingehend durchzusetzen, dass diese Fälle getrennt abzurechnen sind.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in der oben genannten Entscheidung des BSG unter Rdn. 17 ausgeführt wird, dass „die Regelung im hier zu entscheidenden Fall des Jahres 2012 (noch) keine Anwendung fand“.

Erst mit Inkrafttreten des Pflegepersonalstärkungsgesetzes zum 01.01.2019 ist damit nach Auffassung des BSG für Behandlungsfälle ab diesem Aufnahmedatum mit § 8 Abs.5 S.3 KHEntgG durch den Gesetzgeber eine Fallzusammenführung außerhalb der Tatbestände in §§ 2,3 FPV ausgeschlossen worden. Der Klammerzusatz „noch“ weist darauf hin, dass möglicherweise das BSG bei der Beurteilung eines gleichgelagerten Falles aus dem Jahr 2019 oder später zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

  • 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG in seiner Fassung ab 2019 lautet:

„In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.“

Dies muss unseres Erachtens auch für die „Beurlaubungsfälle“ gelten.

Da das BSG bei seiner Entscheidung im Hinblick auf eine (fiktive) Beurlaubung explizit auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abstellt, dürfte eine solche Beurteilung im Hinblick auf die Gesetzesänderung zumindest ab 2019 nicht mehr zulässig sein.

Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/5593, S. 125):

„Die Ergänzung von § 8 Abs. 5 stellt klar, dass die von den Vertragsparteien auf Bundesebene in der Fallpauschalvereinbarung (FPV) getroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierung der Zulässigkeit einer Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind. Eine von den Regelungen der FPV abweichende oder darüberhinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, ist damit nicht zulässig.“

Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung des 3. Senats am BSG zur hier betroffenen Fragestellung einer über die FPV hinausgehenden Fallzusammenführung vom 28.11.2013 (B 3 KR 33/12 R) die vom Gesetzgeber gewollte Rechtslage zutreffend beurteilt hat. In der dortigen Entscheidung hat der 3. Senat des Bundessozialgerichts rechtsfehlerfrei ausgeurteilt, dass eine erweiternde Auslegung der Fallzusammenführungsvorschriften in der Fallpauschalvereinbarung rechtlich unzulässig ist.

Der gesetzgeberische Wille ist klar.
Es liegt in den Händen der Selbstverwaltung, Regelungen auch im Hinblick der Fallzusammenführung aufzustellen. Sie können durch die Selbstverwaltung jederzeit einvernehmlich geändert bzw. angepasst werden. Unzulässig ist damit eine weitergehende Auslegung durch die Sozialgerichte, insbesondere mit Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Es bleibt abzuwarten, ob sich letztlich das BSG dem Willen des Gesetzgebers beugt.