Die aufschiebende Wirkung einer Mindestmengenklage
Aktuelle Rechtsprechung des Sozialgerichts Cottbus vom 04.08.2020 – S 42 KR 207/20 ER
Das Sozialgericht Cottbus hatte im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens darüber zu entscheiden, ob die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen im Land Brandenburg (Antragsgegner) angeordnet wird.
Andreas Bortfeld
Rechtsanwalt Bortfeld berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Sachverhalt
Das durch uns vertretene Krankenhaus führt in dem mindestmengenrelevanten Leistungsbereich Kniegelenk-Totalendoprothesen Behandlungen durch. Insofern obliegt ihm die Pflicht jährlich darzulegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht hat. Diese Voraussetzung wurde durch unsere Mandantin erfüllt.
Nach Meinung der Antragsgegner bestünden erhebliche begründete Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Prognose, sodass sie diese mit Bescheid aus August 2019 widerlegten. Gegen diesen Bescheid ist das Hauptsachverfahren vor dem Sozialgericht Cottbus rechtshängig.
Im Rahmen des Klageverfahrens zeigte sich auch die unterschiedliche Auffassung der Parteien, ob der Klage eine aufschiebende Wirkung zu kommt. Folge der aufschiebenden Wirkung ist, dass der Bescheid nicht vollzogen werden darf, bis über das Rechtsmittel rechtskräftig entschieden ist und insofern die Leistungen grundsätzlich weiterhin erbracht werden können. Das Sozialgericht bestätigte die von uns vertretene Ansicht, dass der Klage eine aufschiebende Wirkung zukommt. Aufgrund dessen ordneten die Antragsgegner mit Bescheid vom 18.06.2020 die sofortige Vollziehung des Bescheides aus August 2019 an und begründeten dies mit dem Patientenschutz. Daraufhin stellten wir den Antrag, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, über welchen nunmehr entschieden wurde.
Entscheidungsgründe
Das Sozialgericht Cottbus hat in seinem Beschluss vom 04.08.2020 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet und gelangte zu der Einschätzung, dass kein besonderes Vollzuginteresse besteht, da es bereits erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Bescheides hat.
So heißt es in dem Beschluss:
Die Antragsgegnerinnen führen lediglich pauschal an, dass die Erfüllung der Mindestmenge im maßgeblichen Vorjahr nicht automatisch zu einer positiven Prognose führe. Welche weiteren konkreten erheblichen Zweifel vorlagen – abgesehen vom Leistungsrückgang im zweiten Halbjahr 2018 – ist hingegen nicht ersichtlich. (…)
Hinzu kommt, dass die Antragstellerin auch im Folgejahr 2019 die Mindestmenge erreicht hat. Inwieweit dann im Juni 2020 eine konkrete Gefahr für Patienten wegen Nichteinhaltung der Mindestmenge vorgelegen haben soll, ist unklar. Denn zu beachten ist auch, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung an den vorliegenden Tatsachen im Zeitpunkt ihres Erlasses messen lassen muss.
Ohne die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen, lässt das Gericht anklingen, dass keine begründeten erheblichen Zweifel an der getroffenen Prognose bestehen. Auch konnte das Argument des Patientenschutzes nicht überzeugen, da auch im Jahr 2019 die Mindestmenge erreicht wurde und insofern die notwendige Qualitätssicherung gewährleistet ist.
Fazit
Erfreulich an dem Beschluss des Sozialgerichts Cottbus ist, dass die hiesige Auffassung bestätigt wird, dass einer Klage gegen einen Negativbescheid im Rahmen einer Mindestmengenprognose eine aufschiebende Wirkung zukommt und daher die mindestmengenrelevanten Leistungen grundsätzlich weiter erbracht werden dürfen. Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die jetzigen Leistungen die Grundlage einer noch zu treffenden Prognose bilden und mithin bei Nichterfüllung der Mindestmenge der Ausschluss von der zukünftigen Leistungserbringung droht. Daher muss nochmals hervorgehoben werden, dass ein etwaiger Bescheid stets aufmerksam zu lesen ist, ob „lediglich“ die getroffene Prognose widerlegt wird oder aber auch die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet wird. Denn bei der derzeitigen Arbeitsbelastung der Sozialgerichte ist damit zu rechnen, dass die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren oftmals zu spät käme und daher der Weg des einstweiligen Rechtschutzes notwendig ist.