Die Prüfverfahrensvereinbarung auf dem Prüfstand des Bundessozialgerichts
Regelungen zur Unterlagenübersendungsfrist des § 7 Abs. 2 und zur nachträglichen Rechnungskorrekturmöglichkeit des § 7 Abs. 5 PrüfvV
Die seit Inkrafttreten der Prüfverfahrensvereinbarung zwischen Krankenhausträgern und gesetzlichen Krankenkassen streitigen Fragestellungen rund um die Prüfverfahrensvereinbarung sind zwischenzeitlich im Rahmen revisionsgerichtlicher Verfahren zum Bundessozialgericht gelangt. So hat das Bundessozialgericht aktuell anhängige Rechtsfragen sowohl zur Unterlagenübersendungsfrist des § 7 Abs. 2 PrüfvV als auch zur nachträglichen Rechnungskorrekturmöglichkeit des § 7 Abs. 5 PrüfvV zu beantworten.
Dr. jur. Jens-Hendrik Hörmann, LL. M.
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Dr. Hörmann berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
§ 7 Abs. 2 PrüfvV – Unterlagenübersendungsfrist an den MDK
Die Regelung in § 7 Abs. 2 PrüfvV regelt eine Unterlagenübersendungsfrist an den MDK. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, nach Zugang des MDK-Prüfauftrags innerhalb einer bestimmten Frist Unterlagen an diesen zu übersenden. Die Frist wurde laufend modifiziert und beträgt für die alte Prüfverfahrensvereinbarung vier Wochen, für die neue Prüfverfahrensvereinbarung acht Wochen sowie modifiziert durch die Übergangsprüfverfahrensvereinbarung 16 Wochen und die Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsprüfverfahrensvereinbarung 28 Wochen. Dies verdeutlicht bereits die erhebliche Dynamik der Regelungen auf Selbstverwaltungspartnerebene.
Das Bundessozialgericht wird sich hinsichtlich der Unterlagenübersendungsfrist mit der Prüfverfahrensvereinbarung alter Fassung zu beschäftigen haben, wobei die zu erwartenden Entscheidungen auch für die weiteren Fassungen der Prüfverfahrensvereinbarung maßgeblich sein dürften. Zugrunde liegen zwei Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 28.05.2020 (L 8 KR 2/18) und 27.08.2020 (L 8 KR 41/19). Die bundessozialgerichtlichen Verfahren sind dort unter den Aktenzeichen B 1 KR 24/20 R sowie B 1 KR 32/20 R anhängig. In den beiden Instanzentscheidungen ging das Hessische Landessozialgericht von einer wirksamen materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 7 Abs. 2 S. 3 PrüfvV aus, sodass die Klagen der Krankenhausträger abgewiesen wurden, da die Unterlagen nicht oder nicht fristgerecht beim MDK eingegangen seien und der Krankenhausträger damit nur einen Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag habe.
Diese Rechtsprechung ist in der juristischen Judikatur höchst umstritten. Unzählige Entscheidungen haben die Frist des § 7 Abs. 2 PrüfvV weder als wirksam durch die Selbstverwaltungspartner erlassen noch überhaupt als Ausschlussfrist ausgelegt (für viele Weitere: SG München, Urteil vom 16.01.2020 – S 28 KR 560/18; SG Kassel, Urteil vom 04.09.2019 – S 7 KR 772/16; SG Hannover, Urteil vom 28.06.2019 – S 50 KR 1093/17; SG Detmold, Urteil vom 16.05.2019 – S 24 KR 1181/19; SG Dortmund, Urteil vom 02.10.2018 – S 63 KR 1124/17; SG Osnabrück, Urteil vom 11.04.2018 – S 34 KR 36/17.).
Das Bundessozialgericht wird sich sodann in der Sache erstmals rechtserheblich mit der Frage der Unterlagenübersendungsfrist des § 7 Abs. 2 PrüfvV zu beschäftigen haben. In den beiden den Verfahren zugrundeliegenden Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz hatte ein erstinstanzliches Sozialgericht die Auffassung der Krankenhausträger bestätigt, wohingegen das Sozialgericht im anderen Verfahren sowie sodann das Hessische Landessozialgericht in beiden Verfahren den Krankenkassen Recht zugesprochen hat. Aufgrund der in beiden Verfahren durch das Hessische Landessozialgericht zugelassenen Revision ist mit einer Entscheidung des Bundessozialgerichts im Jahr 2021 zu rechnen.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV – Nachträgliche Rechnungskorrekturmöglichkeit
Ähnlich umstritten wie die Regelung zur Unterlagenübersendung ist jene zur nachträglichen Rechnungskorrektur. Die Krankenkassen negieren regelhaft nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhausträger unter Verweis auf § 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung. Diese Norm sieht eine einmalige nachträgliche Rechnungskorrektur innerhalb von fünf Monaten vor, in der Prüfverfahrensvereinbarung neuer Fassung ab 01.01.2017 beschränkt auf die Beendigung des MDK-Prüfverfahrens, sofern dieses vor Ablauf der 5-Monats-Frist beendet worden ist.
Mit dieser Fragestellung haben sich zwischenzeitlich unzählige Sozialgerichte und auch mehrere Senate unterschiedlicher Landessozialgerichte auseinandergesetzt. Die beim Bundessozialgericht nunmehr anhängigen Verfahren wurden in der Instanz vor dem Bayerischen Landessozialgericht geführt. Mit Urteilen vom 13.08.2020 hat der vierte Senat des Bayerischen Landessozialgerichts sowohl für die alte Fassung (L 4 KR 437/19) als auch die neue Fassung (L 4 KR 616/19) der Prüfverfahrensvereinbarung die nachträgliche Rechnungskorrektur der Krankenhausträger für zulässig erachtet. Die wesentliche Begründung stellte dabei der fehlende materiell-rechtliche Ausschlussfristcharakter des § 7 Abs. 5 PrüfvV dar. In den Entscheidungen wird davon ausgegangen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV lediglich eine verfahrensrechtliche Regelung für das MDK-Verfahren darstellt, nicht jedoch eine materiell-rechtliche Regelung für das Abrechnungsverfahren zwischen Krankenhausträger und gesetzlicher Krankenkasse. Diese beiden Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts werden beim Bundessozialgericht zu den Aktenzeichen B 1 KR 33/20 R für die neue Prüfverfahrensvereinbarung und B 1 KR 34/20 R für die alte Prüfverfahrensvereinbarung geführt.
Neben dem 4. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts, dessen Entscheidungen nach Zulassung der Revision sodann nunmehr bundessozialgerichtlich überprüft werden, haben auch der 20. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts mit Urteil vom 22.07.2020 (L 20 KR 55/18), der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts mit Urteil vom 14.11.2019 (L 8 KR 224/17) sowie der 5. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Urteil vom 17.04.2019 (L 5 KR 1522/17) diese Rechtsauffassung zu Gunsten der klagenden Krankenhäuser bestätigt und ebenfalls die nachträgliche Rechnungskorrektur für zulässig erachtet. Diese Entscheidungen sind – anders als die beiden erstbenannten Entscheidungen des 4. Senats am Bayerischen Landessozialgericht – nicht im Rahmen eines Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht anhängig. Mit den beiden Entscheidungen des Bundessozialgerichts ist im Jahr 2021 zu rechnen.
Fazit
Es zeigt sich, dass im Jahr 2021 das Bundessozialgericht erstmals rechtserheblich für konkrete Sachverhalte unter Geltung der Prüfverfahrensvereinbarung zwei der wesentlich im Streit stehenden Fragestellungen zwischen Krankenhausträgern und gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der vier vorbenannten Revisionsverfahren klären wird. Zu erwarten ist, dass dadurch Rechtssicherheit für die betroffenen Sachverhaltskonstellationen für alle Fassungen der Prüfverfahrensvereinbarung eintreten wird. Zu hoffen bleibt, dass die Selbstverwaltungspartner bei der aktuell in Diskussion befindlichen Modifikation der Prüfverfahrensvereinbarung klare und unmissverständliche sowie rechtlich belastbare Formulierungen wählen werden. Insbesondere damit könnte dem initialen Gedanken des Gesetzgebers, zeitnahe und unstreitige sowie konsensorientierte vertragliche Regelungen zum MDK-Prüfverfahren auf Ebene der Selbstverwaltungspartner herbeizuführen, zum Erfolg verholfen werden, ohne die Sozialgerichtsbarkeit mit diesen Fragestellungen auch zukünftig belasten zu müssen.