Die zeitliche Komponente der Patientenaufklärung

In der täglichen Praxis begegnet dem Autor des Öfteren die Aussage, dass eine frühzeitigere Operation nicht erfolgen konnte, da dem Patienten stets 24 Stunden Zeit zu geben ist, um in die Behandlung einzuwilligen.

Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Patientenaufklärung in § 630 e BGB normiert. So heißt es:

„Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“

Andreas Bortfeld

Andreas Bortfeld

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Bortfeld berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Zur zeitlichen Komponente heißt es in § 630 e Abs. 2 S.1 Nr. 2 BGB wie folgt:

„Die Aufklärung muss (…) so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, (…).“

Zum Zeitraum zwischen Aufklärung und Behandlung heißt es in der Entscheidung des BGH vom 20.12.2022 – BGH VI ZR 375/21 – wie folgt:

„Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung im Gesetz bezieht sich die Bestimmung allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden hat (…), das rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen muss. (…) Im Einklang mit dieser [Anm.: die bisherige Rechtsprechung] sieht sie keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde; sie enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste. (…). Vielmehr fordert die Bestimmung eine Aufklärung, die die Möglichkeit zu einer reflektierten Entscheidung gewährleistet (…). Sie nimmt die bisherige Rechtsprechung auf, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann (…). Die Aufklärung muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Patient noch im vollen Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit ist und nicht unter dem Einfluss von Medikamenten steht; sie darf nicht erst so kurz vor dem Eingriff erfolgen, dass der Patient wegen der in der Klinik bereits getroffenen Operationsvorbereitungen unter einen unzumutbaren psychischen Druck gerät oder unter dem Eindruck steht, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können (…). Entscheidend ist, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen will oder nicht (…).“

Der Bundesgerichtshof hebt in seiner Entscheidung zudem hervor, dass die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff nicht an eine bestimmte Form gebunden ist. Sie kann sowohl ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben.

In diesem Zusammenhang ist auch der Entscheidung des Bundesozialgerichts vom 08.10.2019 – B 1 KR 3/19 R Beachtung zu schenken, in welcher dieses ausgeurteilt hat, dass ein Krankhaus keinen Anspruch gegen eine gesetzliche Krankenversicherung hat, sofern es an einer wirksamen Einwilligung mangelt. Zum Umfang der Aufklärung führt das Gericht aus: „Je größer das Mortalitätsrisiko und je geringer oder zumindest unsicherer die Erfolgsaussichten der Behandlung sind, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu stellen.

Abschließend ist hervorzuheben, dass allein die Bedenkzeit des Patienten eine vollstationäre Behandlung nicht begründen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes können ausschließlich medizinische Gründe eine vollstationäre Krankenhausbehandlung begründen. Dementsprechend ist stets zu dokumentieren, dass neben dem Abwarten der Bedenkzeit des Patienten auch medizinische Gründe vorgelegen haben, welche eine vollstationäre Aufnahme notwendig gemacht haben. Andernfalls ist davon auszugehen, dass die Kostenträger eine Kürzung des Behandlungsfalles wegen einer sekundären Fehlbelegung fordern werden.