Fahrtkosten i.S.d. § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V bei Verlegung in ein „anderes Krankenhaus“.
Immer wieder besteht zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern Streit über die Kostenübernahme der Transportkosten von zu verlegenden Patienten. Problematisch kann aber nicht nur die „medizinische Notwendigkeit“ der Verlegung sein, sondern auch das Merkmal des „anderen Krankenhauses“.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 60 Abs. 2 S.1 Nr. 1 SGB V. Dort heißt es.
„(2) Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten […]
- bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus, […]“
(Markierung durch den Unterzeichner)
Philipp Schachtschneider
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Schachtschneider berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Nur: Wann handelt es sich um ein „anderes Krankenhaus“? Problematisch wird der Rechtsbegriff dann, wenn z.B. innerhalb zweier Betriebsstätten oder zweier Standorte eines Krankenhauses verlegt wird. Hier sind verschiedene Anknüpfungspunkte denkbar.
Das Sozialgericht Dortmund hat sich bereits in einer Entscheidung vom 21.07.2009, S 8 KR 89/08, dazu wie folgt positioniert:
„Die Voraussetzungen des einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 60 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 (SGB V) sind nicht erfüllt. […] Hier ist keine Verlegung in ein anderes Krankenhaus erfolgt. Es handelt sich vielmehr um Verlegungen innerhalb eines Krankenhauses. […] Zudem ist das […] als ganzes in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Es handelt sich um ein Plankrankenhaus im Sinne von § 108 Nr. 2 SGB V. Wenn es sich aber im Sinne von § 108 SGB V um ein Krankenhaus handelt, können nicht zwei Krankenhäuser im Sinne von § 107 SGB V vorliegen. Dem SGB V liegt vielmehr ein einheitlicher Krankenhausbegriff zugrunde.“
Nach dieser energisch an den § 108 SGB V angelehnten Auffassung, wäre das Merkmal „anderes Krankenhaus“ nicht erfüllt, wenn nur eine Verlegung innerhalb von zwei Standorten oder Betriebsstätten erfolgt. Maßgeblich sei die Einordnung als ein einheitliches Plankrankenhaus i.S.d. § 108 SGB V (einheitlicher Krankenhausbegriff).
Eine davon abweichende Auffassung vertritt das Sozialgericht Reutlingen in seiner Entscheidung vom 08.01.2020, S 1 KR 3340/18. Eine Verlegung „in ein anderes Krankenhaus“ läge auch dann vor, wenn ein Patient von einer Klinik in eine andere, (nur) räumlich entfernte Klinik „verlegt“ würde, welche zum selben Plankrankenhaus gehören (funktionaler Krankenhausbegriff).
Diese Entscheidung ist nicht in Rechtskraft erwachsen und lag bereits dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vor. Dieses hat die Berufung der Krankenkasse mit Urteil vom 27.07.2022, L 5 KR 522/22, zwar zurückgewiesen, begründet den Anspruch aber abweichend zur ersten Instanz. Tatsächlich handele es sich auch in dem dort zugrundeliegenden Fall um ein einheitliches Krankenhaus, darauf komme es aber nicht an. § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB V regele nur für Verlegungsfahrten gesondert, dass eben nicht nur bei dem Transport selbst, sondern auch die Verlegung aus zwingend medizinischen Gründen erforderlich sein muss. Zu sonstigen Fahrten würde § 60 SGB V keinerlei Einschränkungen enthalten:
„Zwar handelte es sich entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht um eine Verlegungsfahrt im Sinne des 2. Halbsatzes der Norm. Denn die Standorte der Beigeladenen in D bzw. V-S sind – zueinander betrachtet – jeweils kein „anderes Krankenhaus“ […] Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten führt jedoch das Fehlen der Kriterien einer Verlegungsfahrt nicht dazu, dass die Versicherten von ihrer Krankenkasse keinen Krankentransport beanspruchen können. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V regelt lediglich für Verlegungsfahrten gesondert, dass (nicht nur der Transport selbst, sondern auch) die Verlegung in ein anderes Krankenhaus aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich sein muss. […] Hiervon abweichend begründete der mit Wirkung zum 01.01.2004 geänderte § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V nun einen Anspruch auf Fahrkostenübernahme auch bei Verlegungsfahrten, sofern sie medizinisch zwingend notwendig sind. Zu sonstigen Fahrten im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen enthält § 60 SGB V indes keine einschränkenden Regelungen. Insoweit verbleibt es bei den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkasse die Kosten übernimmt, wenn die Fahrt im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse (hier einer stationären Leistung) „aus zwingenden medizinischen Gründen“ notwendig ist.“
Der Kostenträger hat zwischenzeitlich Revision zum Bundessozialgericht erhoben. Dort wird das Verfahren unter dem Az. B 3 KR 15/22 R mit folgender Rechtsfrage geführt:
„Hat eine Krankenkasse die Kosten von Krankentransportleistungen als Fahrten bei stationären Behandlungen zu übernehmen, wenn Patienten an eine andere Betriebsstelle des Krankenhauses verbracht wurden, weil nur dort die notwendige personelle und medizinisch-technische Ausstattung vorgehalten wurde, um die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen ergreifen zu können?“
Der Entscheidung des Bundessozialgerichts darf mit Interesse entgegengesehen werden, die Rechtsfrage dürfte damit endgültige Klärung erfahren. Wir werden darüber nach höchstrichterlicher Entscheidungsfindung weiter berichten.