Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots
Für die Zusammenfassung von Falldaten zu einem Fall und die Neueinstufung in eine Fallpauschale haben die Vertragsparteien auf Bundesebene in § 2 FPV entsprechende Regelungen getroffen. Jedoch verlangen Kostenträger auch außerhalb dieser Tatbestände die Zusammenführung getrennt abgerechneter Behandlungsfälle.
Rebecca Donaldson
Rechtsanwältin Donaldson berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren, außerdem berät sie Leistungserbringer zur Kostensicherung.
Die Basis für derartige Forderungen schuf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V fordere, dass ein Krankenhaus nur Anspruch auf die Vergütung einer wirtschaftlichen Behandlung hat. Bei Vorliegen verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten müssten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder dürften zumindest nicht höher sein. Wenn das Krankenhaus den unwirtschaftlichen Behandlungsweg wähle, könne es nur die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Dies könne dazu führen, dass die Gesamtbehandlung in der Abrechnung wie ein einziger Aufenthalt zu vergüten sei (BSG, Urt. v. 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R).
In der Folge befinden die Kostenträger bei aufeinanderfolgenden Aufenthalten, eine wirtschaftlichere Behandlung hätte in Gestalt der Beurlaubung des Patienten gem. § 1 Abs. 7 FPV stattfinden können. Ob die Voraussetzungen dafür nach den Vorgaben der FPV oder der jeweiligen Landesverträge erfüllt sind, bleibt oftmals außer Betracht.
Zwei Entscheidungen des BSG haben die Position der Kostenträger gestärkt. Im Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 6/19 R) führte das Gericht aus, dass bei einer kurzfristigen Absehbarkeit der Folgebehandlung die kostengünstigeren Alternativen mit der Entlassung und späteren Wiederaufnahme abgewogen werden müssen, sodass in solchen Fällen eine Beurlaubung über wenige Tage erfolgen kann. In der neueren Entscheidung vom 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) negierte das BSG sogar das Erfordernis der Initiative des Patienten für die Beurlaubung.
Der Gesetzgeber sah sich in der Folge veranlasst, im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) mit § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG eine Neuregelung zu schaffen. Dort heißt es: „In anderen als in vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.“
Nachdem das BSG im o.g. Urteil vom 27.10.2020 eine Anwendbarkeit für Fälle vor dem 01.01.2019 ausgeschlossen hat, sind nun erste sozialgerichtliche Entscheidungen für Behandlungsfälle ab 2019 ergangen.
So hat das SG Augsburg mit Urteil vom 17.12.2021 (S 2 KR 385/21) entschieden, dass es sich bei § 1 Abs. 7 S. 5 FPV nicht um einen Fallzusammenführungstatbestand handle und eine Zusammenfassung der Falldaten aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots in Anbetracht der Neuregelung des § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG nicht zulässig sei.
In dem zugrundeliegenden Fall wurde der Patient vom klagenden Krankenhaus im Zeitraum vom 26.05.2020 – 05.06.2020 sowie vom 24.06.2020 – 15.07.2020 behandelt. Für den ersten Aufenthalt rechnete das Krankenhaus die DRG E71B, für den zweiten die DRG E05A ab. Da der Termin für die Wiederaufnahme bereits zum Zeitpunkt der Entlassung aus der ersten stationären Behandlung feststand, forderte die Krankenkasse eine Fallzusammenführung.
Das Gericht führt aus, dass auch das BSG die Regelung des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV in der Entscheidung vom 27.10.2020 nicht als Fallzusammenführungstatbestand ansehe, sondern zur Prüfung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens heranziehe. Die Regelung des § 8 Abs. 5 KHEntgG solle nach der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 19/5593 S 125) klarstellen, dass die in der FPV getroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierungen der Zulässigkeit der Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind. Eine hiervon abweichende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, sei nicht zulässig. Dafür spreche auch die Gesetzesbegründung zu § 17b Abs. 2 S. 2 KHG (BT-Dr. 19/5539 S. 110), wonach die Änderung des § 17b Abs. 2 S. 2 KHG den Verhandlungsauftrag für die Vertragsparteien auf Bundesebene präzisiere und im Kontext mit der gesetzlichen Vorgabe von § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG stehe. Danach seien die Regelungen zur Fallzusammenführung eine abschließende Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots.
Interessant sind auch die weiteren Ausführungen des SG Augsburg, denen zufolge eine Fallzusammenführung im entschiedenen Fall ohnehin daran scheitern würde, dass die Behandlung nicht lediglich für „wenige Tage“ unterbrochen wurde. 19 Tage würden den vom BSG genannten Rahmen überschreiten.
Die Ausführungen des Gerichts überzeugen insgesamt. Sie stehen im Einklang mit Wortlaut, Zweck und Systematik der gesetzlichen sowie vertraglichen Bestimmungen.
Neben der Entscheidung des SG Augsburg existieren noch weitere positive Entscheidungen anderer Sozialgerichte. Zu nennen ist das Urteil des SG Duisburg vom 26.08.2021 (S 17 KR 1272/20). Gegen diese und eine weitere Entscheidung wurde Berufung zum LSG NRW eingelegt – anhängig unter den Aktenzeichen L 11 KR 660/21 KH und L 11 KR 738/21 KH.