Nothelferanspruch des Krankenhauses besteht auch bei eigentlich von der Sozialhilfe ausgeschlossenen Patienten

In der Praxis bestehen nach wie vor seitens der Krankenhausträger erhebliche Probleme bei der Realisierung der Ansprüche nach § 25 SGB XII.  Auf den sogenannten Nothelferanspruch gegenüber dem zuständigen Sozialhilfeträger ist dann zurückzugreifen, wenn ein Patient keine gültige Krankenversichertenkarte mit sich führt und nicht dem System der GKV zuzuordnen ist. Hilfeempfänger sind daher oftmals ausländische Patienten, bei denen ein Versicherungsschutz nicht gegeben oder feststellbar ist.

Ulrike Hildebrand

Ulrike Hildebrand

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

Rechtsanwältin Hildebrand berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren, außerdem berät sie Leistungserbringer zur Kostensicherung.

Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 13.07.2023, Az. B 8 SO 11/22 R, die Voraussetzungen des § 25 SGB XII in derartigen Konstellationen konkretisiert.

Das klagende Universitätsklinikum behandelte an einem Freitag nach Dienstschluss der beklagten Stadt in der Notaufnahme einen Patienten aufgrund des Verdachtes auf einen Herzinfarkt. Der polnische Staatsangehörige verfügte nicht über Einkommen und Vermögen, sondern bestritt seinen Lebensunterhalt mit Betteln. Bei verschiedenen Krankenhauseinweisungen musste er vom Krankenhauspersonal mit neuer Kleidung und Waschutensilien versorgt werden. Er war zu keinem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet und im Ausländerzentralregister nicht erfasst. Er war seit 2012 mehrfach bei der Klägerin behandelt worden, eine Krankenversicherung bestand weder in Polen noch in Deutschland.

Die Voraussetzungen des § 25 SGB XII lagen in diesem Fall nach den Ausführungen des BSG vor. Die Eilbedürftigkeit als bedarfsbezogenes Moment sei zu bejahen gewesen, da aufgrund des Verdachts auf einen Herzinfarkt eine sofortige medizinische Abklärung notwendig war.

Der Erstattungsanspruch des Nothelfers setze zudem als sozialhilferechtliches Moment voraus, dass bei rechtzeitiger Kenntnis des Sozialhilfeträgers Leistungen erbracht worden wären. Diesbezüglich führte das BSG aus, dass dem Patienten als Unionsbürger kein materielles Aufenthaltsrecht zugestanden habe, weil er als Nichterwerbstätiger nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügte. Damit sei er nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII zwar grundsätzlich von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen gewesen. Dennoch hätte der Patient Anspruch auf eine Überbrückungsleistung und damit auf eine Sozialhilfeleistung gehabt. Überbrückungsleistungen werden im Falle einer akuten Erkrankung nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 S.2 SGB XII bis zur Ausreise, längstens für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von 2 Jahren erbracht.

Im Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten habe wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt ein Bedarf bestanden, den die Beklagte im Falle der Kenntnis als Hilfe bei Krankheit sofort hätte decken müssen. Eine akute Erkrankung habe vorgelegen. Als solche werde eine „unvermittelt auftretende Erkrankung“ verstanden, die zur Behandlungsbedürftigkeit führe. Ein einschränkendes subjektives Tatbestandsmerkmal, wie ein Ausreisewille oder eine Ausreisebereitschaft sei nicht erforderlich. Das BSG betonte allerdings, dass, selbst wenn innerhalb des Zeitraums von zwei Jahren bereits Überbrückungsleistungen zur Behandlung einer akuten Krankheit erbracht worden wären, wegen der kurzfristig notwendig gewordenen Behandlung aber zumindest die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsleistungen im Rahmen der Härtefallregelung im Sinne des § 23 Abs. 3 S. 5  SGB XII vorliegen würden.

Der Patient habe nach den Feststellungen des LSG nicht über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügt, sodass die materielle Hilfebedürftigkeit des Nothilfeempfängers ebenfalls bestanden habe.

Festzuhalten ist somit, dass nach dieser Entscheidung den Leistungserbringern als Nothelfer ein Anspruch nach § 25 SGB XII dem Grunde nach auch dann zusteht, wenn die Patienten über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen und nur ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen existiert.  Dies ist zu begrüßen. Es verbleibt allerdings weiterhin bei den hohen gesetzgeberischen Hürden wie der Zäsur für den eigenen Anspruch ab Kenntnisnahme durch den Sozialhilfeträger und der Tragung der Darlegungs- und Beweislast für die materielle Hilfebedürftigkeit des Patienten. Die detaillierte und ausführliche Dokumentation der Lebensumstände des Patienten, optimalerweise in Form einer eidesstattlichen Versicherung, und die rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers bleiben daher unerlässlich.