Notvertretungsrecht und Einsicht in die Patientendokumentation
Zum 01.01.2023 ist das „Notvertretungsrecht“ für Ehegatten in Kraft getreten. Das in § 1358 BGB geregelte Vertretungsrecht besteht dann, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr besorgen kann. Hierbei handelt es sich umfassendes Vertretungsrecht, so kann beispielsweise einer Behandlung zugestimmt oder aber auch abgelehnt werden. Ferner gibt § 1358 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Vertreter das Recht die Patientendokumentation einzusehen.
In § 1358 Abs. 4 BGB sind umfassende Dokumentationspflichten normiert. So hat der Behandler schriftlich zu bestätigen, dass die Eingangsvoraussetzungen des Notvertretungsrechts vorliegen. Diese schriftliche Bestätigung hat der Behandler dem vertretenden Ehegatten mit einer schriftlichen Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 und das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe des Absatzes 3 vorzulegen. Demgegenüber muss der Ehegatten schriftlich versichern, dass das Vertretungsrecht bisher nicht ausgeübt wurde oder aber ein Ausschlussgrund nach Absatz 3 vorliegt.
Andreas Bortfeld
Rechtsanwalt Bortfeld berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Das Notvertretungsrecht ist zeitlich begrenzt auf maximal sechs Monate und gilt nicht für getrenntlebende Ehegatten oder in dem Fall, dass eine Betreuung besteht oder aber eine Vorsorgevollmacht vorliegt. Zudem ist ein Notvertretungsrecht ausgeschlossen, wenn es nicht dem Willen des vertretenen Ehegatten entspricht (§ 1358 Abs. 3 Nr. 2 a) BGB). Insofern spiegelt sich hier auch der Grundsatz wieder, dass allein der Patient darüber entscheidet, was mit seinen personenbezogenen Daten – den Behandlungsunterlagen – geschehen soll. Ohne Einwilligung kann auf die Unterlagen nur dann zugegriffen werden, wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage existiert.
Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen (§ 630 g Abs. 1 BGB). Die Einschränkung des Patienten dient zu dessen Schutz, sofern Informationen in der Akte enthalten sind, die ihm erheblich schaden könnten, gegebenenfalls kommt eine Einsichtnahme mit dem Arzt oder einem Dritten in Betracht (BT-Drs 17/10488 S. 26 f.). Erhebliche Rechte Dritter können z.B. bei der Behandlung eines minderjährigen Patienten unter Einbeziehung der Eltern sein, wenn sensible Informationen über die Eltern und deren Persönlichkeitsrecht in der Patientenakte verzeichnet sind.
Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang der Auskunftsanspruch nach § 15 Abs. 1 DSGVO bleiben. Noch ist umstritten, ob dieser Anspruch Deckungsgleich mit jenem des § 630 g Abs. 1 BGB ist (bejahend LG Dresden, Urteil vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20). Zur endgültigen Klärung hat der BGH dem EuGH diese Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, EuGH-Vorlage vom 29.03.2022 – VI ZR 1352/20). Für den Patienten und Behandler ist dies insoweit von Interesse, dass der Anspruch nach DSGVO unentgeltlich ist, während § 630 g Abs. 2 BGB für den Behandler einen Kostenersatz normiert.
Das Notvertretungsrecht endet u.a. mit dem Tod des Ehegatten, so dass damit auch das Einsichtsrecht in die Patientendokumentation erlischt. Nicht selten begehren nach dem Tod eines Patienten andere Personen Einsicht in die Patientendokumentation. Da die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod hinaus gilt sind in § 630 g Abs. 3 BGB Einsichtsrechte normiert. Wobei das Gesetz zwischen Erben und Angehörigen unterscheidet. Auch wenn in vielen Fällen die Erben ebenso die nächsten Angehörigen sein werden, so ist die Berechtigung zur Einsichtnahme abweichend. Erben welche auf Grund eines vermögensrechtlichen Interesses (z.B. Schadenersatzansprüche, Versicherungsleistungen) Einsicht begehren, müssen dieses Interesse nachweisen. Ebenso müssen nahe Angehörige – dies sind Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister und Enkel (BR-Drs. 312/12, Seite 39) – das immaterielle Interessen (z.B Vorliegen von Erbkrankheiten oder die Feststellung einer Vaterschaft) zumindest näher darlegen. Trotz dieser Ermächtigungsnorm darf der entgegenstehenden Willen des Patienten nicht unberücksichtigt bleiben, so dass ggf. das Einsichtsrecht ausgeschlossen ist (vgl. § 630 g. Abs. 3 Satz 3 BGB).