Verlegung im Lichte der bundessozialrechtlichen Rechtsprechung
Der Tatbestand der Verlegung war lange Zeit ein immer wiederkehrendes Streitthema zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern und führte zu kostenintensiven und langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Das Bundessozialgericht hat nunmehr – mit Urt. v. 27.10.2020 B 1 KR 12/20 R und B 1 KR 8/20 R – entschieden, wann der Tatbestand der Verlegung im Rahmen der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) erfüllt ist.
Nach FPV liegt eine Verlegung vor, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind (§ 1 Abs. 1 S. 4 FPV 2021). Eine weitergehende Definition der Verlegung ist der FPV nicht zu entnehmen.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass vor den beiden bundessozialgerichtlichen Entscheidungen vom 27.10.2020 zwei Rechtsansichten in Theorie und Praxis vorherrschend waren.
Kevin Roitsch
Rechtsanwalt Roitsch berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.
Das Landessozialgericht Bayern vertrat mit Urt. v. 11.04.2019 (Az.: L 4 KR 215/17) die Rechtsauffassung, dass die Verlegung nicht lediglich an das zeitliche Moment von 24 Stunden geknüpft werden kann. Vielmehr forderte das Landessozialgericht ein aktives Tun des „verlegenden“ Krankenhauses. Dies hätte zur Folge, dass bereits kein Abschlag zu berücksichtigen ist, wenn das entlassende Krankenhaus gar keine Kenntnis von der Aufnahme innerhalb von 24 Stunden hat. Eine derartige Sichtweise würde unnötige Unsicherheiten im Massengeschäft der Krankenhausabrechnung nach sich ziehen und könne demnach nicht gewollt sein.
Demgegenüber vertrat das Landessozialgericht Hessen mit Urt. v. 14.06.2017 (Az.: L 8 KR 27/16) die Rechtsauffassung, dass einzig das zeitliche Moment ausschlaggebend ist.
Bestätigt wurde das Landessozialgericht Hessen nunmehr durch Urteile des Bundessozialgerichts vom 27.10.2020 – B 1 KR 12/20 R sowie B 1 KR 8/20 R.
Das Bundessozialgericht stellte klar, dass eine Verlegung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV nur voraussetze, dass ein Versicherter innerhalb von 24 Stunden aus einem Krankenhaus entlassen und in ein anderes aufgenommen wird – nichts anderes gilt sodann auch für den Tatbestand der Rückverlegung. Insbesondere werde die Begrifflichkeit der „Rückverlegung“ nicht anders definiert als der Verlegungsbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV, weitergehende Voraussetzungen seien daran nicht zu knüpfen.
Das Bundessozialgericht sieht keinen Raum für eine Auslegung dergestalt, dass das entlassende Krankenhaus die Verlegung „veranlasst“ haben muss, da eine solche zu nicht mehr mit dem Wortlaut und Systematik zu beantwortenden Folgefragen führen würde. Einen weitergehenden Lösungsansatz sah das Bundessozialgericht ebenfalls nicht vereinbar mit dem Wortlaut sowie der Systematik.
Auch die § 1 Abs. 1 FPV innenwohnende Systematik und das dort geregelte Verhältnis zu § 3 FPV würden dieses Ergebnis stützen. Demnach sei die Abrechnung von Fallpauschalen grundsätzlich in § 1 FPV normiert. Dies gelte auch im Falle einer Verlegung. Allerdings schreibt § 1 Abs. 1 Satz 3 FPV für diesen Fall vor, dass die Fallpauschale zu mindern ist. Die Grundentscheidung zur Minderung wohnt daher § 1 Abs. 1 S. 3 FPV, nicht dagegen § 3 FPV inne. Letztere Vorschrift habe vielmehr nur die „technische Ausgestaltung“ des Verlegungsabschlags zum Inhalt. Verdeutlich wird das durch den Wortlaut „nach Maßgabe des § 3“. Dieser findet erst Anwendung, wenn eine Verlegung iS von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV vorliegt.
Fazit
Damit sind Behandlungsfälle, in denen Patienten trotz Beendigung eines stationären Aufenthalts durch Entlassung innerhalb von 24 Stunden in einem anderen oder demselben Krankenhaus aufgenommen werden, stets mit einem Verlegungsabschlag zu versehen. Auf die Kenntnis des Krankenhauses komme es mithin ebenso wenig an wie auf die konkreten Umstände der innerhalb von 24 Stunden zu vollziehenden weiteren stationären Aufnahme.
Dass die Spitzenverbände eine derartige Auslegung der einschlägigen Fallpauschalen-Regelungen gewollt haben, ist kaum vorstellbar. Die vorgenannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts reihen sich in eine Vielzahl von Entscheidungen ein, die leider stark an der Klinikrealität vorbeigehen. Verdeutlich wird dies durch den Umstand, dass nunmehr zwischen der Entlassung aus dem einen Krankenhaus und der Aufnahme in dem anderen Krankenhaus kein medizinischer Zusammenhang bestehen muss.
Aktuell sind demnach keine Konstellationen denkbar, in denen das Krankenhaus keinen Verlegungsabschlag im Rahmen der Krankenhausabrechnung zu berücksichtigen hat, sofern die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.